Die Qualität der Produkte steht für Lindnerfood seit jeher an erste Stelle. Welche Herausforderungen birgt der Handel mit Frische in den Beschaffungsländern wie in der Auslieferung?
Stefan Lindner: Aus meiner Sicht gibt es zwei große Herausforderungen: Erstens: Wir arbeiten mit verderblicher Ware. Und d.h. immer ein Kampf gegen die Zeit. D.h. auch, dass die Ware den Takt vorgibt. Wir können uns keinen Salat für zwei Wochen ins Lager stellen, nur um die Verfügbarkeit zu garantieren und Abläufe zu optimieren. Von daher ist es immer ein Abwägen zwischen genügend Produkte auf Lager zu haben, ohne ins Verderbrisiko zu gehen.
Das Zweite ist die angesprochene Qualität. Das ist eigentlich ein undefinierter Begriff. Jeder Kunde hat andere Vorstellungen davon, was für ihn ein qualitativ hochwertiges Produkt ausmacht. Der eine benötigt Produkte, die er lange lagern kann. Der legt mehr Wert auf guten Geschmack. Am Beispiel Erdbeeren bedeutet guter Geschmack einen hohen Zuckergehalt. Ein hoher Zuckergehalt bedeutet hohes Verderbrisiko, was zu einer niedrigen Haltbarkeit führt. Das Beispiel macht deutlich, dass es nicht immer einfach ist, alle Anforderungen an ein Produkt für alle Kunden zu erfüllen. Wir versuchen für jeden Kunden das richtige Produkt zu haben, und das zeichnet uns auch aus.
Soziale Verantwortung und ein faires Miteinander
Soziale Verantwortung, ein faires Miteinander, Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit hat für Lindnerfood als Familienunternehmen einen hohen Stellenwert. In wieweit beeinflussen diese Werte die Auswahl eurer Lieferanten in den Erzeugerländern?
Stefan Lindner: Richtig, wir sind ein inhabergeführtes Familienunternehmen. In Bezug auf unsere Lieferanten bedeutet das, dass wir gerne mit anderen Familienunternehmen zusammenarbeiten. Das sind in der Regel mittelständische Betriebe, die ähnliche Werte haben wie wir. Mit vielen Lieferanten arbeiten wir schon seit Jahrzehnten zusammen. Wir haben uns gemeinsam weiter entwickelt und sind gewachsen. Hinzukommt, dass in unserer Branche auf Lieferantenseite die meisten Geschäfte bei Obst und Gemüse noch per Telefon getätigt werden. Es ist also immer ein persönlicher Kontakt da und es muss gegenseitiges Vertrauen vorhanden sein. Sonst funktioniert das nicht und Reklamationen können beispielsweise nicht ordentlich abgewickelt werden.
Lindnerfood setzt sich aktiv gegen die Lebensmittelverschwendung ein. Keine leichte Aufgabe, wenn man mit sensiblen Produkten wie Obst und Gemüse handelt. Was tut ihr genau?
Stefan Lindner: Lebensmittelverschwendung fängt ja immer mit einer möglichst guten Disposition an. Wobei das ja immer der Spagat zwischen Verfügbarkeit und Verderbrisiko ist. Letzteres ist ja die klassisch Lebensmittelverschwendung.
Wenn wir dann doch mal zu viel haben, oder sich Ware schnell verändert, dann nutzen wir einen alten Klassiker: den Markt. Auf dem Frankfurter Großmarkt entstehen nämlich Preise auf Basis von Angebot und Nachfrage. Wenn wir keine Nachfrage nach unserm Produkten haben, senken wir eben den Preis. Effizienter kann man aus meiner Sicht Lebensmittelverschwendung nicht bekämpfen. Zusätzlich unterstützen wir aber auch karitative Einrichtungen, die Ware bei uns abholen und verarbeiten oder verteilen.
Der Klimawandel betrifft nicht nur die Länder des globalen Südens, sondern ist dank zahlreicher Hitzesommer endlich im Bewusstsein der Menschen in den Deutschen Innenstädten angekommen. Was bedeutet diese Entwicklung allgemein für die Beschaffung von Früchten und Gemüse aus Übersee und unseren Umgang damit?
Stefan Lindner: Durch den Klimawandel nehmen die Wetterextreme zu. Auch in den Erzeugerländern. Starke Regenfälle und extreme Hitzeperioden haben dabei immer ein Einfluss auf die Menge der produzierten Ware und deren Qualität. Das wirkt sich nachteilig auf eine kontinuierliche und stabile Warenversorgung aus. Egal ob Papayas aus Brasilien, Orangen aus Spanien oder Salat aus dem Rhein-Main-Gebiet. Alle sind betroffen.
Wir sind es gewohnt, dass von allem immer alles da ist. Und vielleicht müssen wir uns darauf einstellen, dass es künftig auch Versorgungslücken geben kann.
Aber der Klimawandel eröffnet auch Chancen. So werden zum Beispiel tropische Früchte wie Mangos vermehrt auch in Europa angebaut. Dass in Deutschland auch mal Bananen wachsen könnte, dazu kommt es hoffentlich nicht, aber deutschen Ingwer gibt es schon.
Die Eigenmarke „Diana“
„Beste Freundin“ bezieht zahlreiche Gemüse von eurer Eigenmarke „Diana“. Was macht diese Produkte so besonders?
Stefan Lindner: Das bekannteste Produkt unserer Eigenmarke Diana sind sicherlich die Orangen, die zu 100 Prozent in Papier eingewickelt sind. Wir haben aber auch Zitronen und Clementinen.
Das Besondere an Diana ist die verzehrbare Schale. Die meisten Zitrusfrüchte werden nach der Ernte mit Pilz- und Konservierungsmittel überzogen. Dies sorgt für eine längere Haltbarkeit. Nachteil ist jedoch, dass die Schale nicht mehr zum Verzehr geeignet ist. Bei Diana verzichten wir auf diese Mittel, und so können zum Beispiel die Orangenschalen für Marmelade, die Zitronen für die Cola oder das Schnitzel bedenkenlos verwendet werden. Und auch bei den Clementinen braucht man keine Angst haben, wenn man mit der Hand die Frucht schält und dann das Fruchtfleisch anfasst. Das geht natürlich zulasten der Haltbarkeit, aber da sind wir wieder beim Thema Qualität. Für uns steht in dem Fall die Natürlichkeit der Zitrusfrucht über der Haltbarkeit.
Lindnerfood bietet in seinem Sortiment eine breite Auswahl an exotischem Obst und Gemüse. Aber ihr seid auch gut mit regionalen Anbietern und der Bio-Landwirtschaft vernetzt, oder?
Stefan Lindner: Klar, wir beziehen in der Saison, wann immer möglich, die Ware direkt aus der Region. Das ist für uns selbstverständlich. Daher sind wir zum Beispiel auch zertifiziert nach „Geprüfte Qualität Hessen“.
Nachhaltigkeit ist für Lindnerfood weit mehr als ein Modewort, sondern fest in der Unternehmenskultur verankert. Wie werden diese Werte gelebt?
Stefan Lindner: Nachhaltigkeit wird im heutigen Kontext häufig mit Umweltthemen genannt. Das ist für mich aber nur ein Aspekt. Nachhaltigkeit hat für mich ganz viel mit Langfristigkeit zu tun. Mein Vater sagt immer gerne, dass der Begriff eigentlich aus der Forstwirtschaft kommt, um deutlich zu machen, dass generationsübergreifend gedacht werden muss. Die Ersten pflanzen, die Nächsten ziehen auf und die Übernächsten ernten. Das ist in unserem schnellen Geschäft nicht einfach übertragbar. Aber nachhaltige Kunden-, Mitarbeiter- und Lieferantenbeziehungen sind der Schlüssel für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung. Sonst würden wir ganz schnell unsere Daseinsberechtigung verlieren.
Die Avocado gilt gemeinhin als sogenanntes „Superfood“: Reich an Vitaminen, ungesättigten Fettsäuren und Mineralstoffen ist sie aus der modernen Gastronomie nicht mehr wegzudenken. Dennoch steht die Frucht regelmäßig in der Kritik. Welche Avocado kann man denn noch mit gutem Gewissen essen?
Stefan Lindner: Nur wenn ein Produkt in der Kritik steht, heißt es ja noch nicht, dass man dabei ein schlechtes Gewissen haben muss. Aber das muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden.
Positiv an der Diskussion über die Avocado finde ich, dass sich eine breite Öffentlichkeit mit einem Lebensmittel und dessen Anbau beschäftigt. Das hat es lange nicht gegeben. Wir leben ja in einer Gesellschaft, in der die Wenigsten beruflich oder privat noch mit der Erzeugung, Anbau, Ernte, Lagerung und Verarbeitung von Lebensmitteln zu tun haben. Das sind unter 1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Aber 100 Prozent essen Lebensmittel. Aufgrund dieser riesigen Wissenslücke ist es für einen Großteil der Bevölkerung unmöglich eine bewusste Entscheidung zu treffen, was ein gutes und nachhaltiges Lebensmittel ist. Die Avocado steht für mich stellvertretend für diese Diskussion. Da kommen mir auch die möglichen Vorteile in der Diskussion zu kurz. Und ehrlicherweise fände ich es gut, wenn wir die Diskussion mit unseren Bauern vor der Haustür führen würden. Hier können wir uns nämlich diese Informationen selbst holen, im Gegenteil zur Avocado aus Peru oder Mexiko.
Die Geschichte von Lindnerfood begann in den 1950er-Jahren mit einer geschälten Kartoffel. Seitdem hat sich das Unternehmen zu einem bedeutenden Frische-Großhändler in der Region entwickelt. Welches sind die nächsten Ziele?
Stefan Lindner: Wir wollen auch in Zukunft dem Kunden genau das liefern, was er benötigt. In der richtigen Menge, in seiner gewünschten Qualität und zum richtigen Zeitpunkt. Solange wir das gut hinbekommen, ist es mir um die Zukunft nicht bange. Dazu werden wir weitere Entwicklungsschritte gehen müssen. Ganz oben stehen dabei die Verbesserung von Prozessen, z.B. die Optimierung der Auftragsabwicklung durch die Bestellapp „Chefslist“ oder eine effizientere Kommissionierung. Außerdem wünsche ich mir, dass wir eine so gute Unternehmenskultur haben, dass wir so attraktiv sind für Mitarbeiter, dass der Fachkräftemangel für uns kein Thema mehr ist.
Zur Unternehmens-Webseite: www.lindnerfood.de